Sprichwörter und Redensarten in Grimms Märchen

Diese sind vor dem damals aktuellen Zeitgeist zu sehen. Die kulturelle Epoche der Romantik betonte Gefühl, Leidenschaft, Individualität und individuelles Erleben. Sie wird als Reaktion auf die vernunftorientierte, rationalistische Aufklärung und die von der Natur entfremdende Industrialisierung gesehen. Als Folge eines naiven Weltverständnisses, das das Mittelalter idealisierte, galt vielmehr der Mensch im "Naturzustand" als erstrebenswert. Ziel der KHM und ihrer Änderungen war es demnach - im Sinne der sogenannten Volkspoesie - ihnen einen volkstümlichen, dem "urdeutschen Mythos" entsprechenden Charakter zu verleihen. Das einfache, bäuerliche Volk war nach dieser Vorstellung durch einen gesunden Menschenverstand und dem häufigen Gebrauch von Sprichwörtern und Redewendungen geprägt, die dem Märchen wesensverwandt seien.
Wilhelm Grimm hat mit den Ergänzungen und Änderungen (sprachwissenschaftlich: Interpolationen) der KHM einen beeindruckenden Beitrag zur Revitalisierung volkstümlichen Sprachgutes geleistet, was sicherlich zur Popularität der Sprichwörter und Redewendungen beigetragen hat, wovon viele heute noch allgemein gebräuchlich sind. An die 420 Sprichwörter und Redensarten wurden über- oder aufgenommen, davon einige mehrfach, sodass insgesamt 600 Belege auszumachen sind. In dem vorliegenden Nachschlagewerk werden diese komplett vorgestellt, das heißt für jedes Märchen wird jeder Einzelbeleg aufgelistet. Ebenso in den Blick genommen werden Einflüsse durch vorangehenden und parallelen Sprachgebrauch. So wird für jedes Zitat aufgeführt, ab welcher Auflage es erscheint, Querverweise auf andere Textstellen geliefert und die allgemeine Beleglage, d. h. die Existenz in älterer Literatur oder Lexika aufgeführt. Zusätzlich werden die im Nachlass der Grimms zu findenden Sammlungen sprichwörtlicher Wendungen vorgestellt und editiert.
Das Buch wendet sich vor allem ans Fachpublikum und interessierte Laien und stellt einen wichtigen Beitrag zur Grimm-, Märchen- und Sprichwörterforschung dar.
Mit ausführlicher Einleitung (geschichtlicher und kultureller Hintergund, Motivation, Umsetzung der Interpolationen, Inhalt des Nachschlagewerkes usw.) und einem alphabetischen Index aller behandelten Proverbien.
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