1. Eintrag:
den Kasper machen
Beispiele:
- Ich finde es abtörnend, wenn Entertainer nur so den Kasper machen
- Wenn ihr der Meinung seid, andere Leute beleidigen zu müssen und hier nur den Kasper machen wollt, dann werden wir dieses Gästebuch einfrieren
- Ich bin einfach eine Bühnensau. Schon als Kind musste ich immer den Kasper machen
- Ich kann mir nichts Furchtbareres vorstellen als Musiker, die ihr Leben lang so tun, als wären sie 19 Jahre alt. Es ist halt so, dass du nicht in Ewigkeit den Kasper machen kannst
- Wenn Hypnotiseure mit ihren Probanden öffentlich den Kasper machen, trägt das nicht dazu bei, medizinische Hypnose bekannter zu machen oder zu fördern
- Dass es immer genügend Leute gibt, die den Kasper machen, wenn man es ihnen sagt, zeigen unsere Fernsehsender tagtäglich
- "Betteln, den Kasper machen", sagt Hilff heute, wenn er daran denkt, wie er versuchte, die Konzertkarten zu vermarkten und Sponsoren zu finden
- Ein unterhaltsamer, lustiger Familienfilm, in der Robin Williams einmal mehr nach Herzenslust den Kasper machen kann
Ergänzungen / Herkunft:
Der Kasper trägt eine rote Zipfelmütze, ein buntes Kleid und eine Klatsche als Züchtigungselement (englisch slapstick, daher diese Form der Komödie). Als weitere Figuren treten oft sein Freund Seppel, Großmutter, eine Fee, der König, Wachtmeister, Hexe, Räuber und Krokodil auf. Die Stücke drehen sich meist um aufkommende Probleme, die Kasper mit List und Fantasie zusammen mit seinen Freunden, aber auch in Interaktion mit den Kindern als Verbündete und "heimliche Mitwisser" löst.
Als Puppenfigur für Kinder taucht der Kasper Mitte des 19. Jahrhunderts auf, aber natürlich hat die lustige Figur eine lange Tradition, die bis zum Narrentum des Mittelalters und den Fastnachtsspielen des 15. und 16. Jahrhunderts zurückreicht Q
vergleiche Magdalena Schnitzer: Die Entwicklungsgeschichte des Kasperls und seine Bedeutung im gesellschaftspolitischen Kontext, Diplomarbeit, Wien 2013✗
Die Figur des Kasper ist seit Ende des 18. Jahrhunderts bekannt und dürfte auf den Hanswurst zurückgehen. Der Name ist wohl auf Caspar zurückzuführen - einen der Heiligen Drei Könige. Im Mittelalter gab es Dreikönigsspiele, die im 15. Jahrhundert durch possenhafte Szenen erweitert wurden, in denen der Casper als lustige Figur fungierte. Vorläufer unseres heutigen Kaspers ist der Jahrmarktskasperl zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der auf den Jahrmärkten die breite Masse unterhielt. Unter dem Einfluss von Zensur, Improvisationsverbot (vergleiche "aus dem Stegreif"), Verarmung der unteren Schichten, die sich Theaterbesuche nicht mehr leisten konnten, und dem Aufkommen der Pädagogik entwickelte sich der Kasper vom raufenden und saufenden Haudegen für Erwachsene zum Vorbild und zur Leitfigur für Kinder, wies aber noch einen anderen (derberen) Charakter auf als heute. So setzte er regelmäßig seinen Schlagstock ein, um Probleme zu lösen.
Dabei wurde er in den folgenden Jahrzehnten immer wieder auch für politische Zwecke - auch für Erwachsene - instrumentalisiert, etwa um Kolonialismus, den Ersten Weltkrieg oder die Nazi-Ideologie propagandistisch zu flankieren. Aber auch linke Gruppen nutzen zwischen den beiden Weltkriegen die Figur als sozialistischen Pädagogen (wie in Österreich der "rote Kasperl"), sie behandelten Themen wie Streik, das Machtverhältnis zwischen Angestellten und Vorgesetzten (Klassenkampf), Entmachtung von Autoritäten wie Polizisten oder Mieterschutz.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Kasperletheater wieder eine Unterhaltungsform für Kinder, in denen Kasper als naiv-tollpatschige, aber auch verantwortungsvolle, moralische Figur erscheint, in denen pädagogische Themen wie z. B. Verkehrserziehung, Zahnhygiene oder Umweltschutz behandelt werden.
Vergleiche auch "etwas auskaspern", "sich zum Kasper machen"
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