1. Eintrag:
eine gespaltene Zunge haben; mit gespaltener Zunge reden / sprechen
Bedeutung:
Beispiele:
- Die SPD spreche "mit gespaltener Zunge". Während Bundeskanzler Gerhard Schröder Steuererhöhungen eine Absage erteilt habe, ziehe Fraktionschef Franz Müntefering (beide SPD) sie ins Kalkül
- Also, meine Damen und Herren, hier redet man wirklich mit zwei Stimmen, die Indianer würden sagen, diese Personen reden mit gespaltener Zunge
- Unzufrieden mit seiner Arbeit begann er Zwietracht zwischen den Göttern zu säen mit listigen Worten und gespaltener Zunge
- Er verleugnet, dass Arafat mit gespaltener Zunge spricht - dem Westen gegenüber von "Frieden" redet, die eigenen Leuten auf den Jihad einschwört und das Märtyrertum verherrlicht
Ergänzungen / Herkunft:
Band 43: Der Kopfgeldjäger, S. 29; Band 61: Der Apachen-Canyon, S. 24; Band 62: Western Circus, S. 46; Band 75: Der Kunstmaler, S. 31; Band 95: Das gelobte Land, S. 42✗
Das gleiche Sinnbild finden wir in der Redewendung "mit zwei Zungen reden / sprechen" (die sich bis ins Mittelalter verfolgen lässt), und auch eine entsprechende Symbolik der Schlange ist der europäischen Kultur nicht fremd ("eine falsche Schlange").
Insofern könnte von einer Parallelbildung des Sprachbildes gesprochen werden, denn tatsächlich war die Metapher in den Sprachen der amerikanischen Ureinwohner verbreitet. Das lässt sich z. B. einem Reisebericht von Johann Georg Kohl (1808-1878) entnehmen, ein umtriebiger Reiseschriftsteller, der 1854 bis 1858 Nordamerika bereiste und dort auch mit zahlreichen namhaften Wissenschaftlern und Literaten bekannt wurde Q. Sein Buch über die Ojibwa, Kitchi-Gami (Großer See) wurde vor allem in den USA, aber auch in Deutschland sehr populär. In einem Kapitel über die Zeichensprache der Ojibwa schreibt er: "Spreizt man ... die beiden Vorfinger der rechten Hand auseinander, und läßt sie, wie die gespaltene Zunge einer Schlange vom Munde wegfahren, so bedeutet dies 'lügen'. Dies Zeichen ist in der Zeichensprache sämmtlicher Indianer adoptirt, so wie auch das ihm zum Grunde gelegte Bild: 'mit gespaltener Zunge reden' (statt 'lügen') in die Redeweise aller Indianer aufgenommen ist" Q
Johann Georg Kohl: Kitschi-Gami; oder, Erzählungen vom Obern See: Ein Beitrag zur Charakteristik der amerikanischen Indianer, Bände 1-2, C. Schünemann, 1859, S. 194✗
Die Redensart fand auch Eingang in die englische Sprache (to speak with a forked tongue). Sie findet sich in zahlreichen amerikanischen Quellen aus dem frühen 19. Jahrhundert - oft in Zusammenhang mit Verhandlungen amerikanischer Offiziere mit indianischen Stammesführern Q. Einem Bericht aus dem Jahr 1859 zufolge entstand die Redewendung, dass der "weiße Mann mit gespaltener Zunge" sprechen würde, als Folge der französischen Taktik der 1690er Jahre in ihrem Krieg mit den Irokesen, ihre Feinde zu einer Friedenskonferenz einzuladen, nur um sie dann zu töten oder gefangenzunehmen Q. Die englische Redewendung soll allerdings schon in 1500er Jahren vorhanden gewesen sein, insofern ist es auch möglich, dass sie von den Indianern übernommen wurde Q.
Zu "Zunge" siehe auch "seiner Zunge freien Lauf lassen"
> |