1. Eintrag:
jemanden becircen / bezirzen

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Bedeutung:
Beispiele:
- Die "Crazy Horse"- Girls bezirzen Niki, Edi und Co
- So bezirzen Sie Ihren Chef!
- Die Grünen wollen offenbar die Kiffer wieder bezirzen: "Wir halten es für wirksamer, weiche Drogen wie Cannabis kontrolliert an Erwachsene abzugeben"
- Wenn ein Mann erst eine Frau bezirzen und besabbeln muss, damit sie ihn mag, ist das von absehbarer Dauer
- Wirtschaftslobby bezirzt Bundestag mit Voodoo
- Europa bezirzt Lateinamerika für mehr Handel
- Autor Lars Amend bezirzte sein Publikum
- Sie bezirzte ihre zögernde Tante so weit, dass diese ihrem Willen zustimmte
- Es brachte sie in Rage, wie mühelos er die Frauen bezirzte
Ergänzungen / Herkunft:
Das Bildfeld beginnt historisch mit der Zauberin Circe, die durch ihre Fähigkeiten die Heimfahrt des Odysseus um ein Jahr verzögert (siehe hierzu auch "jemanden zur Sau machen"). Besonderer Zauber kommt dem Blick zu. Schon den Platonikern gilt der Liebesblick als Ursprung des Liebeszaubers. Hafis und Walther von der Vogelweide sprechen von den Pfeilen des liebenden Auges. Der größte Raum gilt allerdings den Zaubertränken (amatoria). Nach Seneca erließen schon Lykurg und Solon Bestimmungen, nach denen die Herstellung von Zaubertränken verboten war. Von der Mittelmeerwelt und vor allem aus dem Orient gelangt die Vorstellung vom Liebeszauber in die gallisch-fränkische Mischzivilisation. Den Germanen ist sie ursprünglich fremd, weil die Frau (als bevorzugte Zauberin) eine andere soziale und sittliche Stellung hat. Die germanische Frau ist dem Mann ebenbürtig an Stellung und Stärke; das Werben gestaltet sich in Saga und Epos häufig geradezu als Brechung und Zähmung der jungfräulichen Kraft, so etwa im Kampf Günthers mit Brünhild im Nibelungenlied. Schon bei "Tristan und Isolde" des Gottfried von Straßburg allerdings wandelt sich die Sehweise, und die Naturgewalt der Liebe wird (gemäß der keltischen Herkunft des Stoffes) mit einem Zaubertrank erklärt (um 1210).
Als Versuch, auf übernatürliche Weise aktive Gewalt über einen fremden Willen zu erhalten, verstößt der Liebeszauber gegen weltliches und religiöses Recht. Der vom Zaubertrank erzeugte Bann symbolisiert die durch Verführung erzeugte Willenslähmung des Opfers. Die als Hexe angesehene Produzentin des Liebestranks unterliegt den üblichen Verfolgungen und Bestrafungen. Große Prozesse von welthistorischer Bedeutung ranken sich zu bestimmten Zeiten um Liebestränke, so der Prozess zwischen Ludwig dem Frommen und Judith oder zwischen Lothar II. und Treutberga. Mathilde von Artois soll den Tod König Ludwigs X. durch einen Trank aus Kröten- und Schlangenpulver herbeigeführt haben. Prozesse dieses Genres ziehen sich bis ins 19. Jahrhundert hinein. Noch heutige Liebesbriefe und -formeln oder das (gezeichnete) Liebessymbol Herz gehen auf alte magische Rituale zurück, die jahrhundertelang tradiert und geglaubt wurden. Auch die Magie von Vers und Reim im Liebesgedicht spielt eine Rolle, das Übersenden einer Locke, das Betrachten von Bildern der/des Geliebten usw. Durch die Jahrtausende erhält sich der Brauch, über Wachsbilder einen Einfluss zu gewinnen. Uralt sind auch die Bestandteile der Zaubertränke selbst, wobei ein gleitender Übergang zu Narkotika und echten Aphrodisiaka besteht: Alraune und Liebstöckel, Knabenkraut und Eisenkraut, vierblättriger Klee und Sonnenblume, Baldrian, Efeu, Malve und Zypresse. Dazu kommen allerlei tierische Produkte wie Eidechse und Katzenherz, Frosch und Kröte, Geier, Eule und Schlange. Besonders nützlich ist es, sich Teile der Kleidung des zu Bezaubernden zu beschaffen: Leibwäsche und Hemd sowie Socke und Schuh sind hier die Favoriten. Auch hilft es, Teile des eigenen Körpers - also Blut, Haare, Nägel usw. - in die Speise des Opfers zu mischen.
Erwähnt sei schließlich noch, dass es auch Möglichkeiten des Gegenzaubers gab, so dass man Misserfolge bei der Bezauberung erklären konnte, ohne die Vorstellung als solche aufgeben zu müssen, die natürlich auch allerlei wohlfeile Ausreden für Ehebruch u. ä. bereitstellte. Wenige hatten so viel klaren Verstand wie Luther, der - bei allem eigenen Aberglauben - keineswegs gelten ließ, dass sich jemand seinem Eheversprechen mit dem Argument entzog, Opfer eines Liebeszaubers geworden zu sein. Noch die heutige Art und Weise, wie wir über Liebe sprechen, wie man uns "bezaubert", uns "den Kopf verdreht", zeigt, wie tief diese Vorstellungen und heute absurd wirkenden Handlungen einmal im Volksglauben verwurzelt waren.
Siehe auch "eine wahre Odyssee"