1. Eintrag:
Gnade vor Recht ergehen / walten lassen
Beispiele:
- Polizei lässt bei 95-jährigem Freier Gnade vor Recht walten
- Alinda hat panische Angst, dass sie jetzt ins Gefängnis muss. Mama entschuldigt sich für Alindas Verhalten und der Wachmann lässt Gnade vor Recht ergehen
- Dass das Gericht für bayerische Verhältnisse diesmal Gnade vor Recht ergehen ließ und nur eine erneute Geldstrafe von 500 Euro und keine Arreststrafe verhängte, war dem Umstand geschuldet, dass die angeordneten Drogentests negativ ausgefallen waren, was darauf schließen lässt, dass die Delinquentin clean ist
- Ein Taxifahrer erhielt einen Strafzettel, weil er nur wenige Minuten auf einer Sperrfläche hielt, um einer 90jährigen Rentnerin mit Rollator ein Einsteigen zu ermöglichen. Obwohl dieser Umstand dem betreffenden Mitarbeiter des Ordnungsamtes nicht verborgen geblieben sein konnte, wurde dennoch ein Knöllchen erteilt, anstatt den Taxifahrer anzusprechen oder Gnade vor Recht walten zu lassen
Ergänzungen / Herkunft:
Für die Bedeutungsentwicklung von Gnade ist vor allem der christliche Gnadenbegriff entscheidend. Er umfasst die aus Erbarmen dem Sünder gewährte Vergebung, die als freies Geschenk Gottes angesehen wird. Als "milte" (Mildtätigkeit, Barmherzigkeit) ist Gnade auch Teil der ritterlichen Tugend und auch dem germanischen Recht keineswegs fremd. Es kennt bereits Formen wie "um Gnade bitten" und des "Waltenlassens" von Gnade. Im Lehnswesen und in den späteren Herrschaftsformen bildet sich eine weitere Säkularisierung des Begriffes heraus, die sich in verschiedenen Formeln (gnädiger Herr) und Redensarten niederschlägt. Die Redensart "Gnade vor Recht" taucht beinahe wörtlich bereits im "Iwein" des Hartmann von Aue Q um das Jahr 1202 auf.
Zu "das Recht" siehe auch "im Recht sein", "recht haben"
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